Mittelalter
Frau und Recht im Mittelalter
Im germanischen Recht unterstand die Frau der sogenannten „munt“ des Hausvaters, die, ähnlich wie die römische patria potestas, als Herrschaftsrecht zu definieren ist, das Frauen, Kinder, Sklaven, Vieh und tote Gegenstände in sich einschloss. Der Familienvater besaß auch hier unumschränkte Machtbefugnisse, er konnte nicht nur Sklaven und Vieh, sondern auch Frauen und Kinder verkaufen, aber auch töten. Die Munt kann also keinesfalls als Schutzverhältnis bezeichnet werden, wie dies gelegentlich in der offiziellen Geschichtsschreibung geschieht, sondern vielmehr als einseitige Gewaltherrschaft des Mannes mit dem Ziel der totalen Unterwerfung der Frau.
Im frühen Mittelalter stand die Frau lebenslang unter der Munt. Diese ging vom Vater auf den Ehemann, und, falls dieser starb, auf den eigenen Sohn über. Das Untertanenverhältnis der Mutter ihrem Sohn gegenüber zeigt am besten die geringe Achtung, die sie als Person genoss. Der Unterschied zum alten matrizentrischen Weltbild wird hier besonders deutlich: Die Frau als Mittelpunkt allen Seins wird jetzt zur Untergebenen des Sohnes, den sie gebar!
In den späteren Jahrhunderten erfuhren dann diese Rechtsbestimmungen etliche Lockerungen zugunsten der Frau, ohne allerdings an den patriarchalischen Verhältnissen Grundsätzliches zu ändern. So wurde unter dem Einfluss des Christentums Verkauf oder Tötung der Frau als Übertretung der Muntgewalt angesehen.
Verbesserungen gab es nach und nach im Eherecht. So wurde das Heiratszwangsrecht des Vaters aufgehoben, und etwa ab dem 12. Jahrhundert begann sich die Konsensehe durchzusetzen, in der auch die Zustimmung der Frau notwendig war. Im Gegensatz zum frühen germanischen Recht kannte das spätere Kirchenrecht keine Scheidung, auch die Polygamie wurde untersagt.
In vermögensrechtlicher Hinsicht wurde es der Frau verstärkt ab dem 10. Jahrhundert ebenfalls möglich, ihre Position zu verbessern. Langsam begann sich die vom römischen Recht übernommene Mitgiftehe durchzusetzen, wobei die Mitgift oder der Erbteil, den die Frau in die Ehe einbrachte, durch den Bräutigam „widerlegt“ werden musste. Das heißt, er musste eine der Höhe des Heiratsgutes angemessene Vermögenschaft bestimmen und dem Heiratsgut hinzufügen. Diese sogenannte „dos“ sollte auch als Witwenversorgung dienen. Die Frau wurde also vermögensfähig, ihr Eigentum musste allerdings bei Lebzeiten des Ehemannes von diesem verwaltet werden. Er besaß auch das volle Verfügungs- und Nutzungsrecht, durfte es allerdings nicht ohne die Zustimmung seiner Gattin verkaufen.
Die Frau auf dem Lande
Die mittelalterliche Bevölkerung lebte zu etwa 70 – 90 % auf dem Land. Sie war in der Mehrzahl hörig oder leibeigen und konnte weder lesen noch schreiben. Die mittelalterliche Bauersfrau garantierte mit ihrer Arbeit die Selbstversorgung der Familie. Deshalb ist auch anzunehmen, dass sich Frauen auf Grund ihrer wichtigen Arbeitsleistung ebenso wie als Produzentin der Nachkommenschaft ein gewisses Ansehen und auch einen gewissen Einfluss sichern konnten. Zeitgenössische Abbildungen zeigen die Bäuerin als durchaus selbstbewusste Gefährtin neben dem Mann, wobei Ausdruck und Haltung keinesfalls irgendeine Unterwürfigkeit signalisieren.
Die Städterin
Die im 12. und 13. Jahrhundert entstehenden mittelalterlichen Städte boten den Menschen neue Möglichkeiten. Der Handel begründete den Reichtum der Städte. „Stadtluft macht frei“, heißt ein altes Sprichwort. Tatsächlich ermöglichte die Stadt dem Zugewanderten das Recht auf persönliche Freiheit, denn er konnte das Bürgerrecht auch dann erwerben, wenn er nicht zur privilegierten Gruppe jener gehörte, denen es durch Geburt automatisch zufiel, eine Entwicklung, von der auch die Frau profitierte. Sie unterstand nicht mehr der für sie besonders drückenden gutsherrlichen Aufsicht, der Feudalherr konnte keinen Einfluss mehr auf Eheschließungen nehmen und eine Fülle neuer Verdienst- und Lebensmöglichkeiten boten darüber hinaus die Chance zu einer gewissen Selbständigkeit.
Mit der Herausbildung spezialisierter Berufe erweiterte sich in den Städten das Berufsangebot, damit vergrößerten sich auch für die Frau die Möglichkeiten zur Erlangung einer gewissen wirtschaftlichen Unabhängigkeit. Zunächst waren es die Witwen, denen es gestattet wurde, entweder bis zur Wiederverheiratung oder aber für einen minderjährigen Sohn den Betrieb des verstorbenen Mannes weiterzuführen. Allmählich aber gelang es vereinzelt auch ledigen oder verheirateten Frauen, ein Gewerbe selbständig zu führen. Vor allem im Textilgewerbe arbeiteten Frauen in den reichen Handelstädten wie Köln oder Frankfurt als Meisterin. 1397 bildeten die Kölner Garnmacherinnen eine eigene Zunft, der ausschließlich Frauen angehörten.
Von Frauen wurde auch das freie Handwerk betrieben wie etwa die spezialisierte Pasteten-, Lebkuchen- und Kuchenbäckerei. Vor allem im Kleinhandel arbeiteten Frauen als Trödlerinnen, Krämerinnen und Hökerinnen, sie haben Obst, Butter, Milch, Käse, Hühner und Eier auf den Märkten angeboten, waren aber auch in größerem Umfang am Import und Export beteiligt. Es gab auch bedeutende Kauffrauen, die an Handelsgesellschaften beteiligt und auch als Handlungsreisende unterwegs waren. Die Führung der umfangreichen Rechnungs- und Haushaltungsbücher bereitete den Frauen in der Regel keine Schwierigkeiten, denn die meisten Bürgersfrauen konnten lesen, schreiben und rechnen.
Erst die Erziehungstraktate des späten Mittelalters, in einer Zeit also, als die ersten Universitäten gegründet wurden, beschäftigten sich mit der Frage, ob das Lernen von Lesen und Schreiben für Mädchen überhaupt angebracht sei. Erst ab diesem Zeitpunkt lässt sich auch generell eine Unterbewertung der Mädchenerziehung feststellen.
Die Dame der Troubadours
Edel und hoheitsvoll, schön und unnahbar, so wird uns die mittelalterliche Frau meist überliefert. Die hohe Frau, verklärt im Minnegesang, war Gegenstand der Poesie. In der Realität wurde die Frau des Burgherrn häufig misshandelt und geschlagen; der Ritter legte ihr den Keuschheitsgürtel um, bevor er seinen Kreuzzug antrat, um sich ihrer Treue zu versichern.
Aber obwohl der Höhenflug dieser subtilen Frauenverehrung relativ kurz dauerte und schließlich in Schablonen erstarrte, war sie trotzdem für das mittelalterliche Frauenbild von großer Bedeutung. Denn sie hat einen neuen Typus Frau, nämlich jenen der Dame geschaffen, der bis herauf in unsere Zeit wirksam war.
Die Frau in der Renaissance
Im 15. und 16. Jhdt. begann sich das mittelalterliche Weltbild aufzulösen, der Mensch fiel heraus aus der göttlichen Ordnung und erlebte sich zunehmend als Individuum. Die Bewegung des Humanismus förderte Bildung und Wissenschaft, aber auch die Erotik wurde wiederentdeckt, der nackte menschliche Körper erneut Thema der bildenden Künste.
Die Naturwissenschaften nahmen an Bedeutung zu, große Entdeckungen wurden gemacht, fremde Erdteile bereist, Geschäft und Handel blühten. Gleichzeitig begann mit der Loslösung aus der mittelalterlichen Eingebundenheit in die kirchliche und feudale Ordnung auch ein wohlhabendes patrizisches Bürgertum zu entstehen, das neben dem Adel und dem Klerus zum Bildungsträger wurde.Dadurch ergaben sich auch für die Frau neue Möglichkeiten, Bildungsmöglichkeiten vor allem, die sie auch nutzte. Denn das humanistische Bildungsideal erfasste auch das weibliche Geschlecht, die gebildete Frau war plötzlich gefragt. Obwohl das Studium für Knaben nach wie vor wichtiger war, wurden auch zahlreiche Schulen für Mädchen errichtet. Die Frau erhielt damit eine neue Wertigkeit. Sie war als intellektuelle Partnerin des Mannes geschätzt. Die vollkommene Dame hatte also nicht nur schön, sondern darüber hinaus auch klug und gebildet zu sein.
Das Zeitalter der Renaissance hat Frauen aber nicht nur Bildung ermöglicht, sondern ihnen auch die Erotik gestattet. Es war eine Epoche des heiteren und verfeinerten erotischen Lebens. In ihr wurde auch die große Kurtisane geboren, die in den drei Jahrzehnten der Hochrenaissance in Italien Triumphe feierte. Es gab große Kurtisanen vor allem in Venedig und Rom, die von den Dichtern und Malern verherrlicht und gefeiert wurden.
Als die Syphilis durch französische Heere in Italien eingeschleppt wurde, bedeutete dies das Ende der großen Kurtisanenwelt. Die Kurtisane wurde zur gefährlichen, niederen Hure degradiert, was natürlich auch eine allgemeine Wertminderung der Frauen zur Folge hatte. Wieder einmal waren sie es, die zu Schuldigen gestempelt wurden, ihnen wurde die eigentliche Verantwortung für die Verbreitung der Seuche aufgebürdet, ungeachtet der Tatsache, dass Prostitution eine Erfindung des Mannes zur Befriedigung seiner eigenen Bedürfnisse war.
Luthers Eheideal
Ein spezielles Verhältnis zu Liebe, Sexualität und Frauen wird Luther, dem Mönch und Reformator nachgesagt. Den „Versuchungen des Fleisches“ gegenüber nicht völlig unempfindlich, hatte er sich ein eigenes Lehrgebäude geschaffen, in dem erlaubt wurde, was in der katholischen Kirche nicht erlaubt war, nämlich der Sexualverkehr des Priesters, vorausgesetzt, er fand im „geheiligten Stand der Ehe“ statt.
Diese neue Perspektive, die den weltlichen Ehestand höher einschätzte als das Ordensleben und das Zölibat der Priester, hatte natürlich auch entsprechende Auswirkungen auf die Frau. Sie wurde einerseits als Gattin und Mutter aufgewertet, andererseits jedoch als unverheiratete und berufstätige Frau zunehmend diskriminiert. Der Typ der tugendhaften, braven und tüchtigen Haus- und Ehefrau, wie er in Resten bis herauf in unser Jahrhundert Geltung besaß, galt nun als praktisch einzig akzeptierte weibliche Lebensform. Die keusche, unberührte Jungfrau, im Katholizismus hoch geschätzt, geriet zur verachteten alten Jungfer, die, da unfruchtbar, ihren eigentlichen Lebenszweck verfehlt hatte und daher zu einem Schattendasein verurteilt war.
Zwar wird dem Mann Achtung, Treue und Liebe der Frau gegenüber empfohlen, die männliche Vorrangstellung ebenso wie das Züchtigungsrecht blieben aber unbestritten.
Nachteilig für das Weiblichkeitsbild wirkte sich auch die Beseitigung der Marienverehrung und der weiblichen Heiligenlegenden aus, weil damit das letzte weibliche Element aus der Religion gestrichen wurde. Ebenso problematisch war die Vertreibung der Frauen aus den Klöstern, wurde doch damit eine sehr wichtige weibliche Lebensform, eine Alternative zum Ehedasein, zerstört.
Die Möglichkeiten für Frauen, sich zu bilden, waren in Deutschland am Beginn der Neuzeit im Vergleich zu jenen des Mittelalters geringer geworden. Sie beschränkten sich im Großen und Ganzen auf die Erfordernis einer Haushaltsführung. Das Bildungsniveau der Frau sank am Beginn der Neuzeit weit unter jenes des Mannes. Frauen, ausgeschlossen von den Universitäten und den Berufen, wurden auf das Haus und ihre biologische Funktion des Kindergebärens fixiert.
Die Frau im Barock
Die Verdrängung der Frau am Beginn der Neuzeit aus allen einflussreichen Positionen und ihre zunehmende Stilisierung zum passiven, vom Mann zu formenden und ihm Gehorsam schuldenden Geschöpf verlangte nach Kompensation. Sie fand im imaginären Bereich der Phantasie und Illusion statt, in der Literatur und in den schönen Künsten. In ausladenden, in barocker Fülle schwelgenden Gemälden konnte das verdrängte Weibliche zurückgeholt werden. Die Darstellung der Frau, tausendmal variiert bot vornehmlich dem männlichen Genie umfassende Verwirklichungsmöglichkeiten. Besonders der unverhüllte oder kaum verhüllte weibliche Körper war Gegenstand gesteigerten männlichen Interesses (Peter Paul Rubens!).
Weibliche Künstlerinnen wurden hauptsächlich in das gefällige Genre – religiöse Erbauungsbilder und Porträtkunst – abgedrängt. Noch lieber allerdings wurde es gesehen, wenn weibliches Kunstschaffen im Rahmen dilettierender Häuslichkeit verblieb, denn das Heraustreten an die Öffentlichkeit galt ganz allgemein als unweiblich.
Das tatsächliche Leben von Frauen in der Barockzeit stand zu diesen Manifestationen triumphierender Weiblichkeit, wie sie männliche Künstler darstellten, allerdings in einem krassen Gegensatz. Am ehesten noch schien die Dame von Welt, die Angehörige aristokratischer Kreise diesen Vorstellungen zu entsprechen.
Insgesamt hatte sich die neuzeitliche Entwicklung auf Stellung und Bildung der Frau verheerend ausgewirkt. Der Ausschluss aus den Zünften war am Ende des 17. Jahrhunderts praktisch vollzogen. Sogar in der Seidenherstellung, in der im 15. Jahrhundert fast ausschließlich Frauen beschäftigt waren, dominierten am Ende des 16. Jahrhunderts bereits die Männer. Dafür hatten Frauen niedrigste, schlechtest bezahlte Arbeit zu tun, denn arbeiten mussten sie immer, das „Ideal“ der sorglos vom Ehemann lebenden Bürgers- und Adelsfrau konnte lediglich von einer schmalen Schicht verwirklicht werden.
Ihre miserable Berufssituation, ihre finanzielle, rechtliche und politische Abhängigkeit vom Mann wurde auch noch mit Hilfe von Philosophie, Religion und aufkommender Naturrechtslehre untermauert. Eine ganze Literaturgattung entstand, die sich mit den körperlichen und seelischen Eigenschaften der Frau beschäftigte.
Dass die Ideologie vom inferioren, hilflosen, schwachen Weib, wie sie als Rechtfertigung für die Herrschaft des Mannes eingesetzt wurde, in keiner Weise mit dem umfangreichen, Verantwortung voraussetzenden Arbeitspensum einer Familienmutter oder der schweren Arbeit in den Manufakturen in Einklang zu bringen war, scheint kaum jemandem aufgefallen zu sein. Im Gegenteil: Als Arbeitskraft, selbst wenn es sich dabei um schwere körperliche Arbeit handelte, waren Frauen immer geschätzt, vorausgesetzt, dass die Oberaufsicht dem Mann verblieb.
Wie dringend nötig es war, Frauen verstärkt in den Arbeitsmarkt einzuschleusen, zeigte sich nach Entstehung der Manufakturen, als König Friedrich Wilhelm I 1723 eine Verfügung erließ, nach der alle Mädchen und Frauen, die als Hökerinnen ihre Waren auf dem Markt anpriesen, verpflichtet wurden, wöchentlich ein Pfund Wolle für die Manufakturen zu spinnen, ansonsten ihnen der Erlaubnisschein zum Verkauf der Waren entzogen wurde.
Im Prinzip war die Arbeit in den Manufakturen freiwillig. Doch erinnern die Bedingungen, unter denen sie stattfand, häufig an eine Strafanstalt: 15 Stunden-Arbeitstag! Die Entlohnung war miserabel, sie reichte nicht einmal zum Überleben.
Gern gesehen waren Frauen auch in den Dienstbotenberufen. Mädchen, die sich um diese Arbeit bewarben, gerieten automatisch in die totale Abhängigkeit vom Dienstgeber. Persönliche Rechte besaßen sie kaum. Entlaufenes Gesinde konnte zwangsweise zurückgebracht und durch Kerker bestraft werden.
Dass unter diesen Umständen die Prostitution zum oft überlebensnotwendigen Nebenerwerb wurde, ist verständlich. Deshalb nahm das „leichte Gewerbe“ in dieser Zeit auch ein ungeheures Ausmaß an. In Paris soll es im 18. Jahrhundert um die 40.000 Prostituierte gegeben haben, in London an die fünfzigtausend.
Maria Theresia meinte besonders rigoros gegen die Prostitution vorgehen zu müssen. Ihre berühmte „Keuschheitskommission“, die dazu berufen war, die Straßen Wiens von unzüchtigem Tun zu reinigen, mischte sich bald in das Liebesleben harmloser Bürger. Frauen, die ohne Begleitung auf den Straßen angetroffen wurden, hatten Kontrollen hinzunehmen und verdächtige Paare wurden bis zu ihren Wohnungen verfolgt. Aufgespürte Dirnen mussten sich nicht nur die Haare schneiden lassen, Karren schieben und die Gassen kehren, sie wurden auch in Ketten durch die Straßen Wiens getrieben.
Während Frauen der unteren Schichten nicht nur gezwungen waren, niederste und erbärmlichst bezahlte Arbeit zu tun, sondern auch noch ihren Körper verkaufen mussten, wurden wohlhabende Bürgerinnen vor allem mit ihren eingeschränkten Rechten konfrontiert. Ebenso wie im Mittelalter war es ihnen auch jetzt nicht gestattet, Verträge zu schließen oder sonstige rechtsgültige Verpflichtungen einzugehen. Auch konnten sie – juristisch gesehen – keine strafbaren Handlungen begehen, denn im Allgemeinen (mit Ausnahme schwerer Verbrechen) trug ihr Mann die Verantwortung.
Das Leben der Frau von Stand wurde von Geselligkeit, Vergnügungen und Unterhaltung beherrscht. Endlose Besuche abzustatten und Besuche zu empfangen, Feste zu feiern und Diners zu gestalten erforderte einen enormen Aufwand an Kräften und Organisationstalent. Wie unbefriedigend dieses Dasein jedoch im Grunde war, zeigt die Modekrankheit, die unter dem Namen „vapeur“ geradezu epidemieartig die Damen wohlhabender Kreise erfasste. Sie äußerte sich in Schwäche, Schlaffheit, Unbehagen und Depressionen und beschäftigte eine Schar von Ärzten, die damit zu Wohlstand kamen.
Programm der „neuen Weiblichkeit“
Weibliche Intellektualität, in der Frühaufklärung noch gefragt, war gegen Ende des 18. Jahrhunderts bereits in Misskredit geraten. Die Frau, manipulierbares Objekt in der gesamten Geschichte des Patriarchats, unterlag jetzt dem – männlichen – Postulat nach einer „neuen Weiblichkeit“. Bahnbrechend war hier kein Geringerer als der große Philosoph und Pädagoge Jean-Jacques Rousseau, dessen Geschlechtertheorie erstmals Mann und Frau als physisch und psychisch völlig verschiedene, allerdings auf Ergänzung angelegte Wesen definierte, wobei jedoch dem Mann eindeutig der Primat eingeräumt wurde. Diese Ungleichheit wurde von Rousseau durch „die natürlichen Gesetze der Vernunft“ gerechtfertigt. Um diese Ungleichheit ertragen zu können, hat die Natur die Frau auch entsprechend ausgerüstet. Sie ist passiv, geduldig, anschmiegsam, verfügbar, unterwürfig und emotional, während der Mann das aktive, schöpferische Prinzip vertritt.
Diese Definition des Weiblichen, wie sie nicht nur von Rousseau, sondern auch von sämtlichen anderen großen Philosophen wie Kant, Fichte, Hegel und Schelling vertreten wurde, legte Schicksal und Bestimmung der Frau in den kommenden Jahrhunderten fest und ist zum Teil heute noch wirksam. Auch Kant schließt in seine Forderung nach vernünftiger Selbstbestimmung des Menschen die Frau nicht mit ein: „Kinder sind natürlicherweise unmündig und ihre Eltern ihre natürlichen Vormünder. Das Weib in jedem Alter wird für bürgerlich-unmündig erklärt. Der Ehemann ist ihr natürlicher Curator.“
Nach Hegel erhält die Frau erst durch den Mann eine Daseinsberechtigung, erst durch ihn wird sie ein Selbst. Ohne ihn ist sie nicht nur nicht Frau, sondern überhaupt nicht! „Sie liebt ihn …. weil er ihr Mann werden, sie zur Frau machen soll; sie von ihm als Mann ihre Würde, Wert, Freude, Glück als Ehefrau erhalten soll – und dies ist, dass sie Frau wird.“
Ähnlich wie Hegel argumentiert Fichte. Er fordert aber auch als unabdingbare Voraussetzung für eine eheliche Gemeinschaft die Liebe. Doch diese Liebe hat vornehmlich die Frau einzubringen, denn männliche Zuneigung ist erst eine Folgeerscheinung der liebenden Unterwerfung des Weibes, eine Unterordnung, die in ihrer Natur verankert ist. Sie kann gar nicht anders, als sich bedingungslos dem Mann hinzugeben: „Das Weib ist nicht unterworfen, so dass der Mann ein Zwangsrecht auf sie hätte: sie ist unterworfen durch ihren eigenen fortdauernden notwendigen und ihre Moralität bedingten Wunsch, unterworfen zu sein.“
Ihre totale Entmündigung und Selbstaufopferung geht so weit, dass sie dieses Selbst nur noch in anderen finden kann: „Nur auf ihren Mann und ihre Kinder kann eine vernünftige Frau stolz sein; nicht auf sich selbst, denn sie vergisst sich in jenen.“ Schließlich kommt Fichte zu dem bemerkenswerten Schluss, dass sie nur durch rückhaltlose Servilität weibliches Selbstwertgefühl gewinnen kann. Das weibliche Ich existiert nur mehr als Nicht-Ich, als Echo des männlichen Selbst, das sich zum souveränen Schöpfer der Frau aufschwingt.
Fichte meint auch: „Im unverdorbenen Weibe äußert sich kein Geschlechtstrieb, und wohnt kein Geschlechtstrieb, sondern nur Liebe, und diese Liebe ist der Naturtrieb des Weibes, einen Mann zu befriedigen …“
Mit Fichte hat die Diffamierung und Herabwürdigung bzw. gänzliche Ausschaltung des weiblichen Selbst einen Höhepunkt erreicht. Was auf uns heute in seiner männlichen Überheblichkeit und Arroganz beinahe komisch wirkt, beeinflusste die damalige Epoche bis weit herauf in das 19. Jahrhundert nachhaltig.