Der kleine Prinz trifft ein freundliches Schwein

Viel hatte der kleine Prinz gelernt, in den Tagen seit er dem Fuchs begegnet war. Und so zog er vergnügt und sorglos weiter, die Welt kennenzulernen. An einem sonnigen Herbstnachmittag traf er in der Nähe eines Dorfes ein Schwein, welches gerade von einem Spaziergang zurückkam.

Das Schwein sagte freundlich: „Hallo kleiner Mensch, lass uns ein Stück des Weges zusammengehen“. Gern willigte der kleine Prinz ein, er war schon seit Tagen allein gewandert und recht froh, wieder mit jemanden sprechen zu können. Und er freute sich auch, dass es so ein fröhliches Schwein war, das er getroffen hatte.

Zwar hatte er schon einiges von Schweinen gehört, hatte auf seiner Reise auch schon einige am Wegrand gesehen, die sich zufrieden im Schlamm suhlten, was er aber nicht verstehen konnte.

Nicht, dass es ihn direkt störte, dass sie sich so schmutzig benahmen, aber einen Grund dafür fand er nicht.

Den ersten Teil der Strecke gingen sie wortlos nebeneinander und nur hin und wieder betrachteten sie sich gegenseitig. Das war auch eine Art jenes gegenseitigen Betastens und Kennenlernens, das er vom Fuchs so vortrefflich gelernt hatte. Plötzlich fragte das Schwein, sodass der kleine Prinz fast überrascht war:

„Kleiner Mensch, was ist für Dich das Schönste auf der Welt?“

Er dachte nicht lange nach und sagte „Ich liebe es zu reisen, die Welt kennenzulernen und Freunde zu haben.“

Das Schwein grunzte leicht zustimmend, aber der kleine Prinz spürte, dass dies ist nicht alles war und so fragte er seinerseits:

„Und Du, liebes Schwein, was ist für Dich das Schönste in der Welt?“

Das Schwein schaute ihm mit seinen kleinen freundlichen Augen kurz offen in seine Augen und sagte strahlend: „Schwein zu sein, ist natürlich das Schönste“ und fügte nach einer kurzen Pause hinzu : „und diese Freuden mit anderen teilen zu dürfen“.

Das erstaunte den kleinen Prinzen „Einfach nur sein, nicht mehr?“

„Was willst Du denn mehr als sein, das geht gar nicht“ war die Antwort.

„Aber es kann doch nicht jeder Schwein sein, ich zum Beispiel bin doch ein Mensch, wie sollte ich da als Schwein glücklich sein?“

„Jeder auf seine Art kann ein Schwein sein, so wie jeder auf seine Art auch Mensch sein kann. Nur das Schweinsein ist eben schöner als das Menschsein.“

Das machte den kleinen Prinzen neugierig. „Wie könnte ich denn ein Schwein sein?“, fragte er zweifelnd. „Komm nur mit mir, ich zeige es Dir, es ist ganz einfach.“

Kurze Zeit später waren sie an einem einfachen Stall aus Brettern angekommen. Neben dem Stall war ein großes Matschloch und es stand da noch eine große Wanne mit frischem Wasser.

„Komm herein“, sagte das Schwein und zögernd trat der kleine Prinz gebückt in den Stall. Es war schummrig und roch herb und doch sah es in der einen Ecke, in der viel Stroh lag, ganz gemütlich aus. Der kleine Prinz konnte verstehen, dass sich das Schwein hier wohl fühlte.

„Lege Deine Menschensachen ab, wir wollen rausgehen und uns ein wenig suhlen.“

Da erschrak der kleine Prinz, so hatte er sich das nicht vorgestellt. Nicht nur, weil er sich genierte, sich nackt auszuziehen, es war auch die Vorstellung, jemand könnte vorbeikommen und sehen, wie er als Mensch gemeinsam mit einem Schwein im Matsch suhlte.

Das wäre peinlich, davor hatte er Angst. Aber das wollte er dem Schwein gegenüber nicht zugeben, also sagte er : „Ich glaube nicht, dass ich mich mit Dir im Matsch suhlen kann.“

Das Schwein war natürlich weise und wusste längst, was der kleine Prinz dachte und hatte schon mit einer Ausrede gerechnet.

„Hast Du es je versucht?“, entgegnete das Schwein mit fragendem Blick. „Nein“, musste der kleine Prinz kleinlaut zugeben.

„Dann sprichst Du also von Dingen, von denen Du nichts weißt, hast Angst vor Gefühlen, die Du noch nie gespürt hast. Das tun viele Menschen, es ist eine Eigenart von ihnen, zu reden und nichts zu wissen und vor lauter Angst das Schönste nicht zu tun.“

Halb enttäuscht, halb auffordernd sah das Schwein den immer kleiner werdenden Prinz an.

„Ich hatte gehofft, Du seiest anders, als die Menschen, die ich bisher getroffen habe.“

Das traf den kleinen Prinzen, er wollte das freundliche Schwein nicht enttäuschen und er wollte es eigentlich auch ganz gern einmal versuchen, wenn nur diese Angst nicht wäre. Hilfesuchend sah er das Schwein an, dessen ganzes Wesen jetzt Sicherheit, Gewissheit, Vertrauen und Schutz ausstrahlte.

Plötzlich erhellte sich das Gesicht des kleinen Prinzen und strahlte befreiend und auch das Schwein strahlte schon, als er „Ich tue es“ rief.

Schnell legte er seine Sachen beiseite und zog sich aus, es war ganz natürlich und jede Peinlichkeit war wie weggeweht und er musste sogar laut lachen. Es wurde ihm bewusst, dass das Schwein ja auch nackt war, nur an ihm fiel es niemand auf, vermisste niemand die Kleider.

Das Schwein war ganz Schwein, ganz offen und frei nach außen. Das gab es wohl nur bei den Menschen, dass sie etwas von sich verbergen oder verstecken wollten, nach außen nie als Ganzes auftraten, sondern immer nur als Teil. Beim Schwein war das Wesen und der Körper immer eins. Beim Menschen aber gespalten, das Wesen war nach außen gewendet, der Körper aber immer nur nach innen offen, nach außen verhüllt.

Kaum hatte er einen Fuß in den Matsch gesteckt, zögerte er doch wieder. War er zu mutig gewesen? Wo war jetzt sein Mut?

Der Matsch war von der Sonne erwärmt und angenehm weich und anschmiegsam.

Plötzlich spürte der kleine Prinz von hinten einen weichen Rüssel, der ihn sanft schubste. Da ließ er sich ganz fallen, ließ alle Ängste los und plumpste der Länge nach in den weichen Morast.

War das schön! War das weich! Wirklich, er hatte ja gar nichts gewusst, gar nichts vom Suhlen und Schweinsein. Quiekend sprang nun das Schwein hinterher und sie suhlten sich gemeinsam, aalten sich im Dreck und bewarfen sich übermütig mit Schlamm. Alle Sorgen, die soeben noch schwer und bedrückend waren, flogen davon, es war nur noch weich und warm und schön.

Wäre jetzt ein Mensch vorbeigekommen, hätte sich der kleine Prinz nicht mehr schämen müssen, er hätte gestrahlt und gedacht „Der Arme, warum hat er es nicht auch so schön wie ich?“ Nach einer Weile fragte das Schwein: „Verstehst Du jetzt, was es bedeutet ein Schwein zu sein?“

„Ja“, strahlte der kleine Prinz, „jetzt versteh ich es und ich bin froh darüber. Aber was soll nun werden? Ich kann doch nicht immer ein Schwein bleiben?“

„Nein, das sollst Du auch nicht, Du bist Mensch, ich bin Schwein und das ist gut so. Aber jetzt weißt Du, dass Du schöne Dinge auch mit einem Schwein erleben kannst. Nun komm!“

Das Schwein ging mit dem Prinzen zur Wasserwanne, sie sprangen hinein und bespritzten sich solange mit dem angenehm kühlen und frischen Wasser, bis sie wieder ganz sauber waren.

Der kleine Prinz zog sich wieder an und war wunderbar erfrischt. Beglückt machte er sich wieder auf den Weg. „Auf Wiedersehen!“, sagte der kleine Prinz, „bis bald!“, sagte das Schwein.

„Dies ist mein Geheimnis, es ist so einfach, sei Du selbst. Tue was immer Du selbst wirklich tun willst. Lege alle Zweifel und Ängste ab, wenn Dein Herz ja sagt.“