Die verlorene Brille

Vorbei ist’s mit den Jugendtagen,
ich muss nun eine Brille tragen.
Sehübungen mach‘ ich nun täglich,
und seh‘ schärfer auch allmählich.

Plötzlich seh‘ ich jeden Dreck
und natürlich jeden Fleck.
So bin ich dauernd jetzt am Putzen,
ist das wirklich nun ein Nutzen?

Doch ich übe immer weiter,
ich seh‘ schon, das wird wirklich heiter.
Immer öfter geh‘ ich ohne Brille,
da ist ein Weg, wo auch ein Wille.

Neulich bin zum Merkur ich gegangen,
hab mit dem Einkauf angefangen.
Find‘ die Dinge ohne Brille:
Mehl, Kartoffeln und auch Dille.

Will ich dann genau was seh’n,
wird das nur mit Brille geh’n.
Also Brille rauf und Brille runter,
so kauf ich ein ganz froh und munter.

Bring die Sachen dann nach Haus‘
und pack‘ alles eilig aus.
Dazu brauch‘ ich die Brille nicht,
nehm‘ sie also aus dem G’sicht,
häng‘ sie in mein T-Shirt ein,
denn zur Hand soll sie ja sein.

Schau mir dann die Rechnung an,
ob das auch alles stimmen kann.
Ich greife flink zu meiner Brust,
wo ich die Brille ja gewusst.

Da durchzuckt mich heiß ein Schreck,
denn die Brille, die ist weg.
Ja, wo kann das Ding denn sein?
Inzwischen schwitz‘ ich wie ein Schwein.

Ich suche hier und suche dort,
doch die Brille, die ist fort.
Zum Himmel richtet sich mein Fleh’n,
doch St. Antonius hat mich überseh’n.

Er mir wohl nicht helfen will,
denn von oben bleibt es still.
Auf allen Vieren kriech‘ ich rum,
schimpf mit mir selbst und nenn‘ mich dumm.

Schau‘ in alle Laden rein,
denn irgendwo muss sie ja sein.
Dann mach‘ ich noch den Kühlschrank auf –
und da liegt sie obenauf.

Jetzt muss ich erstmal herzlich lachen,
na, ich mach‘ ja wirklich Sachen!
Und die Moral von der Geschicht‘:
Ganz ohne Brille geht’s noch nicht.